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Wie lekker war das denn bitte?! Meine ersten Eindrücke

Paul, 30 Jahre, Accountant aus Hamburg war für 3 Monate in Camphill Village, Südafrika.
Er hat dort im Rahmen eines Social Sabbaticals eine Einrichtung für Menschen mit intellektuellen Defiziten beraten.

 

Die Residents in meinem Haus sind sehr nett und deren Handicaps reichen von klein bis sehr ausgeprägt. Aber alle sind sehr herzlich. Das Leben hier ist von einem 9 – 5 Job so weit entfernt, wie der HSV vom nächsten Meistertitel. Neben den Residents, der Hausmutter und einer Freiwilligen ist unter der Woche auch eine Maid zum Putzen und Mittag kochen da. Aufstehen ist meist um 6 Uhr (an den Wochenenden auch mal etwas später), die Essenzeiten sind fix und werden mit deutscher Genauigkeit eingehalten. Jedem Bewohner des Hauses ist ein Job zugeordnet. Dieser will auch stetig kontrolliert werden. Micheal z.B. muss jeden Morgen die Tische nach dem Frühstück abwischen und die Platzdeckchen einsammeln. Das familiäre Zusammensein macht Spaß. Gewöhnen musste ich mich allerdings an die Mäuse, die manchmal durch die Küche huschen und die Ratten die sich wohl im Dach befinden.

Mein Zimmer (ca. 9 m²) ist sehr einfach. Die Wände haben keine Tapeten und ich habe nur eine Steckdose. Ansonsten gibt es ein Bett, einen Schrank, einen Tisch und einen Nachttisch. Reicht aber vollkommen aus. Das Gemeinschaftsbad ist ebenfalls sehr einfach und nicht unbedingt sauber. Wenn man lange genug wartet, kommt sogar warmes Wasser aus der Dusche. Das Haus ist das mit Abstand am Weitesten entfernteste Haus vom „Farmzentrum“. Das bedeutet jeden Morgen und Abend (und ggf. zwischendurch) einen 30 min. Fußweg. In Deutschland würde mich das ziemlich nerven. Hier finde ich es sogar ziemlich entspannt. Man läuft querfeldein und kann dabei sogar den Tafelberg sehen. Ein wenig auf den Weg achten muss man trotzdem. Neben den Molesnakes (nicht giftig) soll es nämlich auch giftige Kobras und Skorpione geben. „watch your step“

 

Warum bin ich eigentlich hier?
Meine Aufgabe wurde versucht im Vorfeld zu definieren. Ziel soll es sein, meine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse derart einzubringen, dass für Camphill ein Nutzen entsteht. Im ersten Gespräch mit dem Leiter von Camphill (James) wurde festgelegt, dass ich zunächst versuchen sollte, ein neues Kassenprogramm für den Shop zu installieren und zu integrieren. Im Anschluss daran sollte ich für die Molkerei ein Costingmodell aufsetzen um festzustellen, ob die erzielten Verkaufspreise einen Gewinn einfahren oder nicht.

Die Arbeit in beiden Projekten hat viel Spaß gebracht. Außerdem war ich (wie auch alle anderen Mitarbeiter) nicht durchgängig an meiner Arbeit gebunden. Es sind immer wieder Aufgaben angefallen, welche mit meinem eigentlichen Projekt nichts zu tun hatten. Gerade das hat es aber auch sehr interessant gemacht. So konnte ich zwischendurch beim Aufbau des monatlichen Marktes helfen oder einfach mal eine Kuh melken. Gut war hierbei vor allem, dass man sich immer selbst mit Ideen einbringen konnte, egal ob man davon nun Ahnung hatte oder nicht. Gerade diese Flexibilität in jeglichen Lebenslagen war vor allem lehrreich für mich.

Wie lekker war das denn bitte?! Meine Auszeit in Südafrika

Paul, 30 Jahre, Accountant aus Hamburg war für 3 Monate in Camphill Village, Südafrika.
Er hat dort im Rahmen eines Social Sabbaticals eine Einrichtung für Menschen mit intellektuellen Defiziten beraten.

Vor dem Aufbruch ins unbekannte Abenteuer stand noch ein Abschlussabend mit Freunden an. Erst hier wurde mir tatsächlich bewusst, dass die monatelange Vorbereitung nun ein Ende findet und ich nun wirklich drei Monate meine Auszeit nehmen werde.

Das Packen des Koffers stellte sich als eine größere Herausforderung heraus, als zunächst angenommen. 3 Monate sind doch etwas anderes als 3 Wochen Urlaub. Trotz der langen Überlegungen habe ich natürlich die falschen Klamotten eingepackt. Dass ich die nächsten Monate auf einer Farm verbringen werde, habe ich in meine Überlegungen nicht vollständig mit einbezogen.

Der Flug war lang aber unkompliziert. Wie vereinbart, stand dann auch Eastlynn (60 Jahre?!?) am Ausgang mit einem Schild mit meinem Namen drauf. Sie war sehr nett und wirkte ein wenig verwirrt (Simkarte, Geld tauschen, Schlüssel fallen lassen, Wo ist mein Zettel… Ahhh). Irgendwie sympathisch. Vielleicht war sie auch aufgeregt, weil sie nicht wusste, was sie von mir halten soll. Sie ist doch sehr „öko“ und ich ein (junger) Mann, der zumindest im Job viel mit Geld zu tun hat, was zumindest auf dem Papier schon sehr fremd für sie wirken musste. Auf der einstündigen Fahrt nach Camphill plauderten wir über jedermanns Motivation und Lebenseinstellung. Sie findet Geld und den Kapitalismus nicht gut und will nur so viel haben, wie sie für ihre „needs“ benötigt. Naja, wir warten mal ab.

In Camphill angekommen hat sie mich ein wenig rumgeführt, mich „tausenden“ Menschen vorgestellt und mir „unser“ Haus gezeigt. Vorgestellt wurde ich als der „IT-Guy“, was ich später klarstellen musste. Mit IT habe ich leider nicht viel am Hut. Spätestens als ich Karl (kommt ursprünglich aus Kiel und wohnt seit 45 Jahren im Camp) beim Einrichten des neuen Routers für das Community Center helfen sollte, musste ich das klarstellen. Ich bin ein Accountant!! ☺

Camphill:
Camphill ist ein eigenes Dorf, in welchen Menschen mit verschiedensten Handicaps in einer Community leben und arbeiten. Hierfür gibt es diverse Wohnhäuser, in welchen jeweils 3 – 10 Residents gemeinsam leben. Je nach Handicap sind die Residents auch diversen Workshops zugeordnet, in welchen sie arbeiten oder sich einfach nur beschäftigen. Diese sind u.a. Farm, Gärtnerei, Molkerei, Shop, Bäckerei usw.. Ziel ist es, ein gewöhnliches Leben in einem stabilen Umfeld zu kreieren. Hierfür gibt es für die einzelnen Workshops entsprechende Angestellte, welche die Verantwortung tragen. Genauso gibt es für die Wohnhäuser sogenannte Hausmütter (Co-Worker), welche als Art Hausvorstand verstanden werden können. Außerdem gibt es im Camp noch junge Freiwillige, welche ein Jahr im Camp verweilen und sowohl in den Workshops als auch in den Häusern helfen und wohnen.