Die Bescheidenheit südafrikanischer Polizisten / Erste Eindrücke aus Pretoria
Das Abenteuer beginnt gleich nach der Ausfahrt aus dem Flughafen-Parkhaus: Knapp ein paar hundert Meter, schon kommt die erste Polizeikontrolle und ich bin heilfroh, dass ich nicht alleine unterwegs bin sondern mit Chrisna – der Leiterin der Organisation, für die ich die nächsten 3 Monate volunteere – im Auto sitze. Prompt werden wir rausgewunken. Wahrscheinlich wegen des fehlenden Nummernschildes vorne am Wagen, meint Chrisna. Blöd nur, dass auch ihr Führerschein abgelaufen ist… Den der Polizist natürlich prompt sehen möchte. Das Nummernschild interessiert ihn kaum. Schon entbrennt eine heiße Diskussion zwischen den beiden, warum die Papiere nicht da sind und er sie bitte schön doch trotzdem ohne Bußgeld weiterfahren lassen soll.
Nach knapp 10 Minuten kapituliert der Polizist vor Chrisnas Charme und rhetorischer Urgewalt – und ich bin sehr beeindruckt von der Freundlichkeit und Bescheidenheit der südafrikanischen Polizei. Hatte er doch tatsächlich nur um einen kühlen Drink gebeten, als es darum ging, unter welchen Bedingungen er uns weiterfahren lassen könnte. „A cool drink“, so erfahre ich hinterher, ist in Südafrika die übliche Floskel, um nach Schmiergeld zu fragen. Und damit kein falscher Eindruck entsteht: auch hier hat es Chrisna geschafft, ohne einen Cent zu zahlen weiterzufahren.
So macht man das also: Welcome to South-Africa!
Die ersten Tage sind dann trotzdem ein ziemlicher (Kultur) Schock. Obwohl Pretoria mit seinen gepflegten Straßen und Shopping-Malls ein wenig das Lebensgefühl Kaliforniens ausstrahlt, ist doch jedes Haus von hohen Mauern und Stacheldraht umzäunt und nach Einbruch der Dunkelheit (das ist hier in Südafrika schon um 18 Uhr…) soll man am besten nicht mehr zu Fuß unterwegs sein – auch im sicheren und sehr schönen Stadtteil Brooklyn, in dem ich wohne. Ist man abends oder nachts alleine mit dem Auto unterwegs, soll man an roten Ampeln nur wenn unbedingt nötig halten… die Gefahr, überfallen zu werden, ist groß. An jedem Zaun prangt zudem das Schild eines der ortsansässigen Security-Unternehmen ( mit so klangvollen Namen wie „Ubuntu-Security“ oder „Armed Response“), vor einzelnen Häusern sitzen die Wachleute auch 24 Stunden am Tag Wache – auf einfachen Plastikstühlen.
Da zwei südafrikanische Feiertage in meine Ankunftswoche fallen, habe ich Zeit mich in Ruhe zu akklimatisieren – erst nach ein paar Tagen fahre ich zum ersten Mal nach Mabopane, in das Township, in dem ich die nächsten 3 Monate als Volunteer arbeiten werde. Dort ist das Community-Center von Lesedi la Batho, von dem mein Co-Volunteer Philipp schon ausführlicher berichtet hat. Eine Art Gemeindezentrum des Townships, in dem die Mitarbeiter von Lesedi mit Ausbildungsprogrammen versuchen, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.
Philipp nimmt mich die ersten Tage unter seine Fittiche – er ist schon seit Februar hier und gerade mitten dabei, die Organisationsstrukturen von Lesedi umzugestalten.
Mein erster Eindruck vom Center: Wow, was für eine fröhliche und bunte Welt! In jedem Raum befindet sich ein Workshop oder eine Werkstatt, die unter anderem Teddybären, Kleidung, Schmuck oder Taschen herstellen. Daneben gibt es noch die sehr liebevoll eingerichtete Kinderkrippe, die sich um die Kinder von Teenager-Müttern kümmert.
Ria, die Leiterin des Centers vor Ort, beeindruckt mich gleich mit ihrer Herzlichkeit. Sie ist die gute Seele des Townships, auch nach Feierabend noch unterwegs, um beispielsweise den alten und kranken früheren Gärtner des Centers zu besuchen oder eine junge Mutter und ihr Kind. Wer gerade nichts zu essen hat, wird zu ihr nach Hause eingeladen – egal wie wenig sie selbst hat.
Ich stürze mich gleich in die Arbeit, was in meinem Fall heißt, möglichst viele der Menschen kennenzulernen, die vom Center unterstützt werden – denn ich möchte einen Film über die Arbeit von Lesedi la Batho drehen. Deswegen fahre ich in den nächsten Tagen an die verschiedenen Schulen und begleite die ‚Social Auxiliary Workers‘ von Lesedi dort bei ihrer Arbeit. An anderen Tagen bin ich mit Monica unterwegs, die sich um junge Prostituierte und ihre Kinder kümmert und begleite sie bei ihren Hausbesuchen. Prostitution ist, wie ich lerne, in den Townships oft die einzige Einnahmequelle für junge Frauen mit Kind und ohne familiäre Unterstützung.
Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist für mich schwer auszuhalten. Die Frauen und Kinder, die wir in diesen Tagen besuchen, leben teilweise in den notdürftigsten Hütten ohne Wasser, Strom oder Toiletten. Die Fliegen schwirren und andere Insekten krabbeln. Auch zu Essen ist häufig nichts im Haus. Diese Bilder bleiben im Kopf, wenn ich abends in mein schönes Guesthouse in Brooklyn zurückkehre.