Wer hat Angst vorm schwarzen Mann ?
…wie bitte? 10 Tage bin ich nun schon in Pretoria, meinem Lebensmittelpunkt für die kommenden 3 Monate im Rahmen meines Social Sabbaticals. Es wär übertrieben, zu sagen, dass Pretoria mir schon ans Herz gewachsen, gar zum „home away from home“ geworden ist, aber spannend ist es allemal und ich kann mein anderes Leben hier durchaus genießen.
Da ist zum einen das sehr herzliche und nette Kollegenteam: Chrisna, Managing Director des Gemeindezentrums Lesedi la Batho, um das es hier geht. Loren, die Sozialarbeiterin und Chrisnas recht Hand in allen Belangen, Renel, die sich um die Finanzen kümmert, und für kurze Zeit auch noch Joachim, der Volunteer Consultant von 2014, der für weitere 2 Wochen beratend vor Ort zur Seite steht.
Lesedi La Batho: das ist kurz gesagt, ein Gemeindezentrum des Townships Mabopane (Pretoria). Vor gut 10 Jahren als Sport-Kooperation ins Leben gerufen, gibt es hier heute überwiegend Angebote im Bildungsbereich. Der Fokus liegt auf Jugendlichen und jungen Müttern. Ihnen werden hier praktische Fertigkeiten und Lebenshilfe vermittelt. Das Ziel: sie zu starken und zu selbstbewußten Persönlichkeiten zu machen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Schaut man sich die sozialen Strukturen und die prekären Verhältnisse im Township an, so sind diese Hilfsangebote ein Weg aus Armut, Krankheit und Resignation. Mittlerweile arbeiten für Lesedi la Batho mehr als 70 Trainer in einer großen Bandbreite von Workshops.
Zum zweiten hab ich Glück mit meiner Unterkunft: Ein bescheidenes Zimmer in einem gechillten Guesthouse in einem der besseren Wohnviertel Pretorias. Die meisten Mieter sind wie ich mehrere Monate hier, jedoch bedeutend jünger. So wohne ich jetzt mit vielen lustigen Studenten, Botschaftspraktikanten oder Doktoranden aus aller Herren Länder unter einem Dach. Gemeinsame Aktivitäten wie Braai (die südafrikanische Variante des Barbecues), Ausflüge in die Stadt oder ein Bierchen am Küchentisch machen mir die Eingewöhnung leicht. Ausserdem erfahre ich so viel über das heutige Südafrika, den langen Arm der Apartheid und die aktuell wieder aufflammende Gewalt, die sich gegen afrikanische Immigranten richtet. Xenophobie, das ist auch hier ein großes Thema.
Ich tue mich in den ersten Tagen schwer, mich an die allgegenwärtigen hohen Mauern mit obligatorischem Elektrodraht und spitzen Metallzacken zu gewöhnen. Denn das Afrikaaner Viertel Brooklyn ist sehr hübsch – Jacarandabaumalleen im spätwinterlichen Sonnenlicht – aber fast keine Menschenseele läuft hier einfach so spazieren, obwohl das Wetter prefekt ist. Wie ausgestorben. Die Afrikaaner fahren überall mit dem Auto vor. So sind die Hauptstraßen und das Stadtzentrum Pretorias nahezu ausschließlich von Schwarzafrikanern belebt. Und das ist für mich zumindest am ersten Wochenende mehr als befremdlich. Meine kurzen Ausflüge allein zu Fuß in ein anderes Viertel geraten zum Spießrutenlaufen, ich fühle mich sehr unwohl in meiner weißen Haut. Und um 18.00h geht die Sonne unter und dann läuft aber auch wirklich niemand mehr irgendwo hin. Puh, that´s a challenge! Für mich, als passionierten Läufer und Spaziergänger…
Die erste Arbeitswoche beginnt sehr entspannt: In unserem winzigen und sehr, sehr kalten Büro nehme ich mein erstes „Projekt“ in Angriff. Da mein Arbeitsauftrag als Volunteer Consultant ohnehin sehr offen formuliert ist, fange ich pragmatisch an: Um die chronisch knappen Ressourcen zu erweitern lege ich für Lesedi la Batho ein NGO Profil auf einer virtuellen Spendenplattform an. Ich hatte diese südafrikanische Website schon in Deutschland entdeckt und auch Chrisna ist angetan von den Möglichkeiten, darüber kostenlos Arbeitskräfte und Hilfsgüter zu bekommen. Nun denn, nach einem Tag gibt´s schon die erste Resonanz. Da werden wir dann wohl dranbleiben.
Am zweiten Tag wird´s dann prickelnder: Chrisna, Loren, Joachim und ich fahren raus nach Mabopane, das eine knappe Stunde nördlich von Pretoria liegt. Läßt man Pretoria hinter sich, erstreckt sich die braun-rote Landschaft des Highvelds. Die Strassen sind gut ausgebaut, wir passieren die ersten Townships. Und zum ersten Mal sehe ich jetzt auch „Informal Settlements“: Siedlungen aus Blechhütten ohne jede Infrastruktur. Das ist wirklich sehr bitter. Da bin ich fast erleichert, das Mabopane richtige Häuser, Straßen und kleine Eckläden hat. Das Gemeindezentrum ist in einer ausgedienten Schule untergebracht. Gleichwohl schlicht, wirkt alles sehr organisiert und ordentlich: die Höfe und Wege sind gehakt, es liegt kein Müll herum, die Räume sind zweckmäßig eingerichtet und aus der Bäckerei duftet es verführerisch nach Franzbrötchen. Loren stellt mich vor. Wir gehen von Raum zu Raum und ich schüttele unzählige Hände, werde mit strahlendem Lachen begrüßt, umarmt, von den Kindern in den Tagesgruppen besungen und kann mir so viele neue Namen und Gesichter gar nicht merken. Herrlich! Was für ein netter Empfang! Schon jetzt habe ich die Gelegenheit, mir einige Workshops anzuschauen und mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Eins ist klar: es wird viel Unterstützung erwartet und die ist auch nötig. Die Frauen stellen handwerklich gute Sachen her, aber Vertrieb und Marketing, damit sind sie überfordert. Umso mehr freue ich mich über die mit viel Sorgfalt hübsch zusammengesteckten Blumen, die mir überreicht werden. So viel Herzlichkeit, aber auch Vertrauen auf fremde Hilfe!
Mit großem Interesse verfolge ich Joachims Team-Building-Workshop für die Trainer. So kann ich mir ein erstes Bild von den Menschen und Aufgaben hier vor Ort machen. Ob und wie ich mein eigenes, selbstgewähltes Projekt –den Aufbau eines Nachbarschaftstauschrings auf der Basis von Zeiteinheiten – hier einbringen kann, das wird sich zeigen. Für heute jedenfalls bin ich voller neuer Eindrücke.
Und meine Angst vorm schwarzen Mann? Die ist gebannt. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich“. So werde ich es halten!