EGBOK – als Beraterin auf Zeit in Siem Reap/Kambodscha
Seit über zwei Monaten bin ich nun als Beraterin auf Zeit für EGBOK (Everything’s Gonna Be Ok) hier in Siem Reap, Kambodscha tätig. Und die Zeit ist nur so dahin gerast und tut es immer noch. Aber der Reihe nach.
Es war ein langer Weg, der mich hier hin geführt hat und das nicht nur im geographischen Sinne. Bereits vor mehr als 3 Jahren hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Manager für Menschen und es gab auch schon erste Gespräche mit einigen Projektträgern. Zum damaligen Zeitpunkt musste ich jedoch einsehen, dass ich noch nicht wirklich bereit war, diesen Schritt zu gehen. Ich hätte zu viel improvisieren müssen, zu vieles, wenn überhaupt nur mit schlechtem Gewissen machen können. Schweren Herzens musste ich damals mein Vorhaben verschieben, rückblickend war das allerdings eine gute und richtige Entscheidung. Nun also ein neuer Anlauf. Und wieder wurden passende Projekte vorgeschlagen, Kontakte hergestellt und Interviewtermine vorbereitet. Alles klang auf seine Weise spannend, als das Projekt in Kambodscha dazu kam, war die Entscheidung dann aber relativ schnell getroffen. Meine große Affinität zu Asien war hier sicher ein ausschlaggebender Faktor, aber auch das Projekt selber schien sehr interessant zu sein. Dass jemand gesucht wurde, der oder die aus dem Bereich PR und Marketing kommt, rundete das Profil für mich, als jemand, der seit mehreren Jahren in diesem Feld arbeitet, ab. Nach mehreren skype Gesprächen und email-Austausch war es dann abgemacht: Ich gehe nach Siem Reap und arbeite für EGBOK!
Mitte Februar ging es los. Da ich mich langsam annähern wollte, habe ich noch einen Zwischenstop in Bangkok eingelegt, schon alleine um den Jetlag und den Temperaturunterschied von -8 Grad in Berlin zu 34 Grad in Bangkok verarbeiten zu können. Bis hierhin noch auf vertrautem Gebiet, in Bangkok war ich schon viele Male zuvor. Dann kam der Tag der Anreise nach Siem Reap, nur eine knappe Stunde Flug und doch ein ziemlicher Schritt. Ich war noch niemals vorher in Kambodscha und wusste insofern nicht wirklich, was mich erwarten würde. Der Flug war pünktlich, die Abwicklung am Immigration Schalter dauerte dann etwas länger, währenddessen hatte ich einen bangen Blick auf das Gepäckband, das sich schon bedenklich geleert hatte, ohne dass ich bislang meinen Koffer gesehen hätte. Und dann wurde es zu Gewissheit: Mein Koffer war nicht da. Da mir das nicht zum ersten Mal passierte, bin ich zum lost & found Schalter und nach einer mit Händen und Füßen geführten Unterhaltung bekam ich einen Zettel in die Hand gedrückt und die Zusicherung, dass mein Koffer sicher mit einem der 3 Flüge, die heute noch aus Bangkok ankommen würden, mitgeliefert werden würde. Draußen wurde ich dann aufs Herzlichste von zwei meiner neuen Kollegen empfangen, die leider 1 ½ Stunden ausharren mussten und schon geglaubt hatten, ich hätte es mir anders überlegt. Mit dem Tuk Tuk (Taxis gibt es Siem Reap praktisch nicht, das Tuk Tuk ist das klassische Fortbewegungsmittel) ging es dann zu meinem Hotel. Das hatte ich vorab für ein paar Tage gebucht, um erst mal eine Anlaufstelle zu haben. Wie sich herausstellte, befand es sich fußläufig zum Büro von EGBOK. Mein Start im Büro war für den nächsten Tag geplant. Also erst mal ankommen und erste Erkundungen unternehmen. Umgeben von Menschen auf Fahrrädern, Mopeds oder in Tuk Tuks wird schnell klar, dass hier nur die „Barang“, also Ausländer, zu Fuß gehen.
Dann also der nächste Tag, mein erster offizieller Arbeitstag. Mein Gepäck war übrigens noch nicht eingetroffen, was mein Wohlbefinden ein wenig einschränkte, da ich nun mit den gleichen Klamotten rum laufen musste, wie am Tag zuvor. Allerdgins machte das ohnehin keinen großen Unterschied, da ich nach dem knapp 10minütigen Fußweg ins office bereits komplett durchgeschwitzt war. Dann gab es die erste Einführungsrunde durch das Büro. Hände schütteln, Funktion und Namen merken (zum Glück tragen hier alle Namensschilder!). Dann bekam ich meinen Einarbeitungsplan für die erste Woche und ich war schon ziemlich beeindruckt, wie straff hier alles durchorganisiert war. Es waren Treffen mit allen Abteilungen vorgesehen, das Ganze würde mich ein paar Tage beschäftigen. Aber zunächst ging es auf eine Stadtrundfahrt, die eine meiner kambodschanischen Kolleginnen mit mir auf ihrem Motorroller unternahm. Einmal quer durch Siem Reap, wobei mir das Krankenhaus und eine gute Apotheke (ein Zeichen?!), ein paar Sehenswürdigkeiten wie der Royal Palace, aber auch Hotels gezeigt wurden, die mit EGBOK zusammen arbeiten. Dazu später mehr. Damit war der erste Tag dann auch praktisch schon rum und für mich hieß das, zurück ins Hotel und so kurz nach 20.00 Uhr war ich im Bett. Praktisch noch nichts gemacht und trotzdem total erledigt. Vom Gepäck keine Spur! Am nächsten Morgen gings dann wieder ins office und diesmal bestand der Tag aus vielen Treffen, jeder Menge Informationen und Fragen. Und zwischendurch immer mal wieder zumindest kurze Begegnungen mit den Studierenden, also mit den Menschen, um die es hier eigentlich geht. Egal, wo ich hin kam, wurde ich mit einem lauten „Hallo Teacher!“ und der typisch kambodschanischen Geste der vor der Brust zusammen gelegten Hände gegrüßt. Mittags war ein gemeinsames Essen mit allen Kollegen geplant, das zur Verabschiedung von zwei anderen Volunteers und gleichzeitig zu meiner Begrüßung veranstaltet wurde. Reihum sollte nun jede/r etwas zu mir sagen oder mir eine Frage stellen. Natürlich wurde gefragt, wo ich her komme und warum ich nach Kambodscha gekommen bin. Einige beschränkten sich aber auch einfach nur darauf, sich bei mir dafür zu bedanken, dass ich da bin. „Thank you for coming to my country and for your support!“ Das war einfach nur überwältigend.
Jetzt aber etwas zu EGBOK und dazu, was sich dahinter verbirgt. EGBOK, die abgekürzte Form von Everything’s Gonna Be OK, ist eine NGO, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, unterprivilegierten kambodschanischen Jugendliche eine Ausbildung im Hotel- und Gaststättenbereich zu ermöglichen. Kambodscha ist nach wie vor eines der ärmsten Länder Südostasiens und nur 4 % der Jugendlichen absolvieren eine Hochschulausbildung. EGBOK nutzt hier die wachsende Hotel- und Gastronomieindustrie um die Armut in den örtlichen Gemeinden zu lindern und den Jugendlichen die Grundlage für ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. EGBOK wurde im Jahr 2009 gegründet und hat seitdem mehr als 600 Jugendlichen eine Ausbildung ermöglicht und – fast noch entscheidender – 100% aller Absolventen konnten innerhalb eines Monats nach ihrem Abschluss einen festen Arbeitsplatz finden. Neben der beruflichen Ausbildung in den Bereichen Food and Beverage, Housekeeping und Grundlagen in der Küche, werden Englisch und Mathematik unterrichtet und Computerkenntnisse vermittelt. Der Ansatz geht aber weit über die fachliche Ausbildung hinaus, d.h. es wird sich intensiv um die Jugendlichen gekümmert, es gibt Kurse, Rollenspiele und andere Veranstaltungen, in denen das Selbstvertrauen aufgebaut, soziale Kompetenz vermittelt und auf Führungspositionen vorbereitet werden soll. Dabei darf niemals vergessen werden, dass die Jugendlichen aus zum Teil ärmlichsten Verhältnisse kommen, viele von ihnen als Kinder Alleinerziehender oder als Waisen aufgewachsen. Die meisten sprechen kein Wort englisch, einige beherrschen selbst die eigene Muttersprache nur rudimentär. Die gesamte Ausbildung dauert ein Jahr und beinhaltet neben dem theoretischen Teil auch viele praktische Abschnitte und ein dreimonatiges Praktikum in einem Hotel oder Restaurant. Aktuell sind 45 Studierende hier vor Ort, 19 Männer und 26 junge Frauen, das Alter liegt zwischen 17 und 24 Jahren. Sie alle sind seit August letzten Jahres hier bei EGBOK, d.h. bei meiner Ankunft hier gerade mal seit 6 Monaten und es ist einfach unglaublich, welche Entwicklung sie alle bereits jetzt gemacht haben. Alle begegnen mir mit einem offenen Blick und einem ständigen Lächeln, einige bleiben gerne stehen und halten ein kleines „Schwätzchen“. Die Präsenz und der tägliche Kontakt zu den jungen Menschen hier ist das, was dieses Projekt ganz besonders macht.
Für mich galt es nun erst mal, mich zurecht zu finden und runter zu kommen. Und das ist mir schwerer gefallen, als ich im voraus gedacht habe. Während des Vorbereitungsseminars in Frankfurt war das einer der Punkte, die unter eventuell zu erwartenden Schwierigkeiten aufgeführt wurden, von den ich gedacht habe, das wird mir garantiert nicht passieren. Also, dass ich mich selber überfordere und meine Ziele zu hoch stecke. Und doch ist genau das eingetreten. PR?! Kann ich! Klar kann ich das, aber eben unter bestimmten Bedingungen und die sind hier nun mal komplett anders als zu Hause. Es hat mich wirklich viel Zeit und Energie gekostet, das einzusehen und zu akzeptieren. Ich kann sagen, dass ich den ersten Monat gebraucht habe, um das zuzulassen. Auch wenn ich glaube, dass das ziemlich normal ist, empfinde ich es rückblickend gesehen als verschwendete Zeit und kann selber nicht mehr nachvollziehen, was da los war. Einer der Gründe ist wahrscheinlich, dass ich aus dem extrem stressigen Arbeitsalltag raus gekommen bin und ich erst langsam realisiert habe, dass ich hier in einer ganz anderen und neuen Situation bin, in der andere Maßstäbe gelten und niemand von mir erwartet, dass ich von 0 auf 100 durchstarte. Das fing damit an, dass ich am Anfang immer dachte, ich müsste mich an die Arbeitszeiten halten, die hier nun mal für alle Angestellten gelten. Von 9.00 bis 18.00 Uhr sind die offiziellen Bürozeiten und obwohl mir mehrfach gesagt wurde, dass es ok ist, wenn ich außerhalb arbeite oder mal einen halben Tag frei mache, habe ich mich damit sehr schwer getan. Vielleicht auch deshalb, weil ich die einzige war, die das wenigstens ab und an gemacht hat. Das führte dazu, dass vor allem die ersten 4 Wochen extrem anstrengend waren. Inzwischen hat sich das hervorragend eingependelt. Ich verbringe immer noch sehr viel Zeit im Büro oder im hier ja auch noch vorhandenen Restaurant oder setze mich einfach zum Unterricht der Studenten dazu. Gleichzeitig nehme ich mir aber auch immer öfter die Freiheit, früher zu gehen und mir meine Zeit einzuteilen. Etwas, was Temperaturen, die mit Beginn der Regenzeit auch mal um oder über 40 Grad liegen, einfach wichtig für mich ist.
Dass ich diese Balance gefunden habe, liegt nach inzwischen mehr als 2 Monaten sicher auch daran, dass ich immer mehr Teil des Teams geworden bin. Teil eines großartigen Teams! Wie oben beschrieben, geht es hier weiter darüber hinaus, den Jugendlichen eine Berufsausbildung zu geben. Es ist einfach unglaublich, was das – vor allem aus kambodschanischen Mitarbeitern bestehende – Team leistet. Natürlich gehört ein ziemlich großes Maß an festen Regeln, Vorgaben und Organisation dazu. Etwas, was von außen betrachtet und auf den ersten Blick vielleicht etwas zu strikt und zu absolut scheinen mag. Bei näherer Betrachtung kann ich sagen, dass es nur so funktioniert und ich zugleich sehe, dass die Jugendlichen hier mit unglaublichem Engagement und Spaß bei der Sache sind. Denn das ist etwas, was hier definitiv nicht zu kurz kommt. Es wird immer berücksichtigt, dass es sich um junge Menschen handelt, die in eine komplett neue Welt kommen und unter völlig fremden Bedingungen leben und lernen.
Weitere Einzelheiten zu den Aktivitäten und Entwicklungen im nächsten Blogbeitrag.
P.S. Mein Gepäck ist nach 4 Tagen (!) angekommen.