NCF Nepal – das Ghachowk Projekt
Ich war auf einem 10-tägigen Trekking zum Annapurna Base Camp. So richtig „komfortabel“ mit einem Guide und einem Träger. Und nein, ich hatte kein schlechtes Gewissen, weil jemand meine Sachen getragen hat. Ich wusste, dass Sawa – unser Helfer – mit solchen Touristentouren viel mehr Geld verdient als mit seinen sonstigen Jobs. Es passte also.
Aber ich will heute nicht unbedingt über das Trekking sprechen, auch wenn Sawa eine Rolle in meinem Beitrag spielen wird.
Sawa ist ca. 35-40 Jahre alt. Vater von zwei Kindern – 1 und 4 Jahre alt. Zwei Jungs. Sawa ist nett. Er hat sich wunderbar um uns und unsere Sachen gekümmert. Dabei immer ganz freundlich gelächelt. Und am Ende von unserem Trek fragte mich der nette Sawa ganz ernst, ob ich seine Kinder in unserem Waisenhaus unterbringen kann….WAS FÜR EIN SCHOCK!!!
Bis zu diesem Zeitpunkt waren für mich die Eltern, die ihre Kinder in die Waisenhäuser abschieben, seelenlose Monster. So gar nicht ähnlich dem herzlichen und fleißigen Sawa…
Als Visma vor 11 Jahren das Namaste Children’s House gegründet hat, gab es außer seinem nur 2 andere Waisenhäuser in Pokhara. Jetzt gibt es mehr als 70 davon!
Man kann sich dem Eindruck nicht erwehren, dass es jetzt mehr um ein Geschäft, als um humanitäre Hilfe für die Waisen geht. Manche Eltern wollen ihre Kinder in ein Waisenhaus schicken, wie bei uns auf ein gutes Internat. Nur dass man dafür kein Schulgeld bezahlen muss. Die Ausbildung, Verpflegung und Unterkunft werden einfach durch die internationalen Spenden finanziert…Das ist irgendwie nicht der Sinn der Sache.
Was tun also?
- Alle Waisenhäuser schließen? Aber was passiert dann mit all den Kindern, die jetzt in der Betreuung sind?
- Keine Waisenhäuser mehr genehmigen und die Aufnahmen stoppen? Aber was tun mit den Kindern, die tatsächlich niemanden haben?
- Nur wirklich bedürftige Kinder aufnehmen? Aber wie erkennt man, welches Kind wirklich bedürftig ist? Manche Eltern sind tatsächlich dazu bereit, ihr Kind eigenhändig zu verletzen oder auf der Straße auszusetzen, damit es eine Chance auf die Aufnahme in ein Waisenhaus hat. Und dadurch eine Chance auf ein besseres Leben.
So gesehen wollen diese Eltern auch nur das Beste für ihr Kind. Und das ist nicht ironisch gemeint. Ich bin fest überzeugt, dass es auch Sawas Absicht war, als er mich gebeten hat, seine Kinder mit nach Pokhara zu nehmen…
Was läuft falsch in Nepal? Was muss sich ändern, damit Waisenhäuser nicht als bessere Alternative zum Leben in der eigenen Familie gelten?
Die nepalesische Regierung hat dieses Problem erkannt und ein Gesetzt erlassen, das die Eröffnung weiterer Waisenhäuser und die Aufnahme neuer Kinder deutlich erschwert. Eine Lösung ist es sicherlich nicht!
Was Hoffnung macht, sind die Privatinitiativen, wie diese von Visma mit dem Namaste Community Support Centre. Er will das Übel an der Wurzel packen und gleich da bekämpfen, wo es entsteht. Also auf dem armen, unterentwickelten, ungebildeten Land. Da wo das Kastensystem mit seinen strengen Regeln viele zu Verzweiflungstaten zwingt und verwitwete oder verlassene Mütter so gut wie keine Chance haben, für ihre Kinder zu sorgen.
Wenn die nepalesische Dorfbevölkerung stärker wird, dann wird auch Nepal stärker – das ist „Vismas Vision“.
Das erste Namaste Community Support Centre entsteht gerade in Ghachowk, einem Dorf ca. 17 km von Pokhara entfernt – was bei diesen Straßenverhältnissen fast 1,5 Stunden abenteuerliche Autofahrt bedeutet.
Unter enger Einbeziehung der lokalen Bevölkerung will Visma in Ghachowk ein Beispiel für die zukünftige Entwicklung in Nepal setzen. Auf einem 26.000 qm großen Stück Land sollen ein Heim, ein Beratungs- und ein Schulungszentrum für die bedürftigen Frauen und Kinder aus der Region enstehen.
Mehr als die Hälfte des Grundstücks in Ghachowk soll für die einkommen-bringende Landwirtschaft genutzt werden. Einerseits um die Organisation weniger abhängig von den Hilfsgeldern zu machen, anderseits um die Dorfbevölkerung darin zu schulen, wie man ökologische und effiziente Landwirtschaft betreiben kann.
Visma möchte später seine Namaste-Kinder aus der Stadt raus und aufs Land bringen. Sie sollen in einer Dorfgemeinschaft aufwachsen, nützliches Handwerk erlernen und als junge Erwachsene und Vorbilder in ihre Dörfer zurückgehen, um von dort aus die Entwicklung voranzutreiben.
Die Idee ist sehr gut, aber nicht einfach in der Umsetzung. Der Weg dorthin lang und teuer. Mit dem Kauf eines symbolischen Ziegelsteines für 50 Euro kann man aber schon jetzt „Vismas Vision“ unterstützen.
Und Sawa? Nachdem ich ihm erklärt habe, dass Waisenhäuser für die Kinder sind, die keine Eltern haben, hat er kurz nachdenklich genickt und dann geschwiegen. Als wir nach dem Trekking zurück in Pokhara waren, habe ich ihn auf eine Shopping-Tour mitgenommen. Die Riesenfreude auf seinem Gesicht, als wir eine warme Winterjacke für seinen älteren Sohn gekauft haben, hat mir bestätigt, dass er doch ein liebender Vater ist…
Vielen Dank für diese aufklärende Darstellung !