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Mein Leben in zwei Welten – Teil 2

Einige Wochen später, viele Eindrücke, Arbeiten und Erkenntnisse später, möchte ich gerne versuchen, Euch an meinem „Leben in zwei Welten“ teilhaben zu lassen. Bei Lesedi la Batho hat die Arbeit an vielen verschiedenen Ebenen für mich begonnen. Im Moment lebt die Hilfsorganisation von wenigen großen Spenden aus Fördertöpfen, Hilfsprogammen oder Organisationsspenden. Grundsätzlich gibt es daran nichts auszusetzen – es führt allerdings dazu, dass zum einen nur detailliert beschriebene Projekte (und die dazugehörigen Personen) gesponsert werden und zum anderen auch, dass durch den Wegfall eines „Spenders“ ein riesiges Loch entsteht. Daher habe ich angeregt, die Privatspenden  (insbesonders monatliche) aus- bzw. aufzubauen.

Und daran arbeitet Lesedi jetzt mitunter. So sind die Tage in der Community mit Konzept und Ideen für neue Marketingaktivitäten geprägt. Es wird gerade an einer ganz neuen Website gearbeitet, die Strategie, die Inhalte und Zyklen des Quartalsnewsletters werden überdacht/geändert, Flyer und andere Marketingmaterialien auf Vordermann gebracht. Und auch dank Unterstützung von Freuden aus Deutschland werden die „nötigen Grafikdateien “ upgedatet und für alle relevanten Personen zentral verwaltet. Ja, da ist noch einiges an Arbeit zu tun, was aber bei Mary (der verantwortlichen Person für Marketing) in guten Händen liegt. Sie frägt mich wissbegierig aus, brainstormt mit mir und hat selbst auch neue und gute Ideen, die es zu verwirklichen gilt. Ich hoffe, in meinen letzten zwei Wochen hier noch viel Wissen, Know how und Ideen hinterlassen zu können.

Sicher ist auf jeden Fall, dass noch viel „praktische“ Arbeit vor ihnen liegt. Aber mein Augenmerk liegt mehr auf den Know how Transfer. Gerade im Marketing ist ein klar definiertes Ziel essenziell wichtig und die tatsächliche Erstellung eines Flyers nur das Resultat. Und genau dies versuche ich täglich zu transportieren.

Aber auch außerhalb von Lesedi la Batho gibt es einiges für mich zu tun. Schließlich musste auch das Land erkundet werden. Daher habe mich auch recht schnell an die Recherche gemacht, wie ich meine Freizeit verbringen kann. Die ersten Wochenenden habe ich Sonntags mit einer Gruppe von Meetup beim Wandern verbracht. So konnte ich doch einige Hiking-Trails in und um Gauteng kennenlernen. Sowohl von Leuten, als auch von der Landschaft eine neue Erfahrung für mich,  interessant und aufschlussreich. Leider sind die meisten „hikes“ eher Spaziergänge für einen Voralpenlandbewohner. Die Wanderungen sind in der Regel über 200 bis 450 Höhenmeter und es werden mehr Kilometer als Höhenmeter absolviert. Auch einmal schön, aber nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. 

Nachdem ich dann hörte, dass über Ostern Lesedi eine Woche Osterferien hat, stand mein Plan schnell fest. Ich habe schön öfters von dem Wander- und Naturparadies La Reunion gehört. Dies befindet sich oberhalb von Mauritius und ist ein französisches Übersee Departement. 

Aber das sollte nicht das einzige Weltkulturgebiet werden, das ich in Afrika ansehen würde. Daher ging es erst einmal für ein Wochenende nach Zimbabwe, um die Victoria Falls anzusehen. Zimbabwe war einst ein Vorzeigestaat in Afrika, aber leider hat der ehemalige Präsident Mugabe das Land in den Ruin getrieben. Auch in Mabopane sind viele Flüchtlinge aus Zimbabwe. Für uns nicht vorstellbar, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um in einem anderen dritten Weltstaat in Slums zu leben. Das lässt erahnen, wie groß die Verzweiflung und Armut in deren Land sein muss. Der Zustand des Landes ist alleine schon am Flughafen bei der Einreise zu erahnen. Wirklich schlimm, was ein Mensch mit Korruption, Unterschlagung und Vetternwirtschaft so alles anstellen kann. Dennoch erwarten einen unfassbar freundliche und aufgeschlossene Menschen. Sicherlich ist der Ort Victoria Falls nicht repräsentativ für das Land, da es den Menschen hier durch den Tourismus verhältnismäßig gut geht. Dennoch ist hier alles viel einfacher und man sieht die Armut an allen Ecken. Mittlerweile gibt es wieder eine eigene Währung im Land namens „Bond“, die aber nur für Einheimische am Geldautomaten zu haben ist. Als Tourist musst du Dollar und Kreditkarte im Gepäck haben. Im Land kommt man auf regulärem Weg (Bank, Wechselstuben usw.) an kein Geld. 

Aber die Victoria Falls sind einfach unfassbar, man sollte sie auf jeden Fall gesehen haben. Es ist wirklich schwierig zu beschreiben, wie toll und auch etwas magisch dieser Ort ist, das muss wohl jeder selbst erleben.

Zwischen meinem Wochenendtrip und Osterurlaub lagen zwei Wochen, in denen intensiv an Website und Vorbereitung für die Career Expo gearbeitet wurde. Das Konzept für die Homepage wurde gefixt und auch amerikanische Volunteers, die an der Universität von Pretoria ein Semester studieren, haben sich bereit erklärt, einen Teil der Seite zu erarbeiten. Mit großer Vorfreude und Spannung ging es dann über Ostern auf die tropische Insel. Mit einer fünf-tägigen Wanderung, die über 7000 Höhenmeter und 64KM lang durch das Mafate-Gebiet ging, habe ich meine Osterferien verbracht – unfassbar schön und verständlich, dass dies zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Ich habe vor dieser Wanderung noch nie eine solche Vielfalt an Fauna und Flora erlebt. Obwohl ich lediglich durch das Mafate-Gebiet gewandert bin und zwei der insgesamt fünf Gebiete kurz gestriffen habe, war von tropischen Obstbäumen bis zu Nadelwäldern alles dabei. Traumblicke und vor allem bestes Wanderwetter.

Zum Abschluss wurden noch drei Tage Erholung am Traumstrand eingelegt. Aber das Erlebte beschreiben die Bilder besser.

Jetzt ist nur noch die Frage offen, wie es zu dem Titel des Blogs kam? Tja, Südafrika ist für mich ein extrem schönes Land mit netten und aufgeschlossenen Menschen. Aber das Leben hier ist schwer zu beschreiben und hat so viele Facetten, die kein klares Bild zeichnen. Der Unterschied zwischen Reich und Arm, Rassismus gegenüber Schwarzen, aber auch Weißen. Essen wie in einer Metropole eines Erste-Welt-Landes, während man von jemandem in Fetzen beäugt wird. Dies sind nur einige von vielen Beispielen, die einem auf einer Urlaubsreise nicht unbedingt auffallen – aber in einem dreimonatigen Sabbatical einer nicht touristischen Stadt ist dieser Kontrast täglich zu sehen. Ich selbst kann und will mir auch hierzu kein Urteil abgeben, da es kein Richtig oder Falsch gibt. Die Wahrheit liegt wohl immer im Auge des Betrachters. Ich für meinen Teil nehme viele Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse mit nachhause. Ich weiß mittlerweile wieder vieles, das in Deutschland selbstverständlich ist, mehr zu schätzen – stehe aber wohl auch kritischer unserem selbstverständlichen gegenüber. 

Das Resumè meines Sabbaticals ist auf jeden Fall durchwegs positiv. Ich möchte keine Minute meiner Zeit missen und ich weiß eines mit Gewissheit: Es hat mir sehr geholfen, einen unbequemen, unbekannten Schritt zu gehen, um mich und mein Leben noch mehr zu schätzen.

Danke Lesedi, Danke an meine Frau, Danke an Manager für Menschen und Rays of Hope für diese Lebenserfahrung! 

Once a Lesedi – always a Lesedi!

Südafrika – mein Leben in zwei Welten

Meine ersten Wochen – Teil 1

Seit Jahren gehe ich Tag für Tag meiner Arbeit nach und im selben Trott Woche für Woche zieht es an mir vorbei. Ein „soziales Engagement“ hatte ich dabei immer im Hinterkopf, aber niemals in die Tat umgesetzt. Als ich von dem  Social Responsibility Programm meines Arbeitgebers gehört habe, dachte ich mir „wenn nicht jetzt, wann dann?“. Und nachdem es meist am ersten Schritt scheitert, habe ich mich umgehend an die Recherche gemacht. Ich bin ziemlich schnell auf eine Seite für humanitäre Hilfe gestoßen, die (älteren) „professionals“ kein klassisches Volunteerprogramm anbietet, sondern deren Intention es ist, die Kenntnisse und Fähigkeiten an andere/NGOs weiterzugeben. Ich fand diesen Gedanken sehr ansprechend und sah vor allem auch für mich eine Chance, mein erlerntes Wissen fernab von dem Profitgedanken einzusetzen. 

Aber vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Tobias und ich lebe in München. Mittlerweile 45 Jahre alt und seit 19 Jahren im Bereich Marketing tätig. Seit nun über 5 Jahren bin ich für ein internationales Telekommunikationsunternehmen tätig und seit mehreren Jahren glücklich verheiratet.

Ich denke, mit dieser kurzen Beschreibung meiner Person kann sich jeder vorstellen, welche Gedanken einen umtreiben. Bin ich nicht zu alt? Komme ich dort zurecht? Kann ich hier einmal alles stehen und liegen lassen? Was sagt meine Frau dazu? Aber ich habe mir gesagt „keine Gründe es nicht jetzt zu tun!“ Und so habe ich Kontakt mit „Manager für Menschen“ aufgenommen und mit Elke über verschiedene Optionen gesprochen. Einige der Möglichkeiten waren auch in Südafrika. Nachdem ich selbst schon einmal beruflich und auch für die Hochzeitsreise das Land bereist habe und ich extrem angetan war, nahm ich das auch gleich als Zeichen für „das ist es“!

Um das ganze aber etwas abzukürzen: Nach einigen Skype-Terminen, Gesprächen mit meiner Frau und Freigabenrunden meines Arbeitgebers stand mein Projekt und Ziel fest. So bin ich jetzt für Rays of Hope in Pretoria, um dort die Hilfsorganisation Lesedi la Batho zu unterstützen. 

Lesedi la Batho (LLB) bedeutet übersetzt „Licht für die Menschen“ und ist seit 2004 als ein Projekt der Organisation SA Cares und seit 2011 eigenständig tätig. Es hilft bedürftigen Bewohnern des Townships Mabopane in vielen Lebensbereichen. Hierzu zählen Bildung (Hygiene, Computerkurse, Sozialverhalten etc.), Berufsausbildung (Bäckerei, Näherei, Kindergarten etc.), Beratung bei Existenzgründung, Sportförderung, psychologische Unterstützung sowie Kinderbetreuung für berufstätige Mütter. Aber auch Hilfe für HIV erkrankte Menschen und Prosituierten gehören zu dem Aufgabengebiet. Wie auch Aufklärung und Hilfe für Schüler der umliegenden Primary- und Highschools. Ein wirklich breites Feld, das es erst einmal zu verstehen und zu begreifen gilt. 

Nach einem zwei wöchigen Urlaub mit meiner Frau habe ich dann auch meine Arbeit bei LBB angetreten. Das Office befindet sich direkt in Pretoria. Die Community befindet sich ca. 40 Minuten außerhalb von Pretoria. So war die erste Herausforderung für mich, die Arbeiten der Community zu verstehen und auch etwas mehr Einblick in das tatsächliche, hilfebedürftige Südafrika zu bekommen. Bis dato kannte ich eigentlich nur die Postkartenmotive von Südafrika und das Leben der Weißen – und in meinen Augen auch oftmals extrem Reichen. Aber dieses Südafrika steht nur für eine geringe Bevölkerungsschicht und der Großteil der Einwohner lebt auch heute noch am Existenzminimum mit keiner oder nur geringer Schulbildung, und die Gewalt ist außerhalb der Villen und „Weißenviertel“ allgegenwärtig. 

Nach 14 Tagen hatte ich dann einigermaßen einen Eindruck von der Arbeit, den Umständen, aber auch von den Problemen und „liegengelassenem“ Potential.

Meine „Arbeit“ anfänglich war es, alles aufzusaugen und mir unvoreingenommen ein Bild zu machen. Der erste Eindruck war wirklich sehr positiv und vor allem wurde ich überall herzlich aufgenommen. Aber dennoch ist man erstmals über die Umstände und die zur Verfügung stehende Ausstattung verwundert. Aus Deutschland kommend, haben wir mittlerweile eine übertriebene Anforderung an Hygiene, Ausstattung von Büro- und Schulräumen und Equipment, das man zur Arbeit erwartet. Hier ist es doch deutlich einfacher und dennoch wird auf Reinheit und Ordnung geachtet. 

Eines der Probleme ist für mich die notorische Unterbesetzung gerade im Office von Lesedi. Was natürlich bedeutet, dass wenig „Headcosts“ entstehen und jeden Sponsor freut, aber auch dazu führt, dass immer nur die aktuell anstehenden Arbeiten und Probleme gelöst werden. Unter solchen Umständen, und teilweise mit dem fehlenden fachlichen Wissen, bleiben Prozesse, Ideen, Strategien und eine klare Linie auf der Strecke. Auch für mich waren daher die ersten Wochen bzw. Monat von „troubleshooting“ geprägt. So habe ich an einem Tag geholfen, die Excelsheets für Reporting upzudaten, mit Herstellern korrespondiert, um defekte Nähmaschinen reparieren zu lassen und für die im Mai anstehende Career Expo Aussteller zu akquirieren. Sicherlich sind das Arbeiten, die verrichtet werden müssen, aber in meinen Augen kann dies nicht alles gewesen sein. Nach nun mehr als fünf Wochen habe ich doch einige Vorstellung und ich denke, auch für das Projekt förderliche Ideen, die auf jeden Fall noch angegangen werden sollten. 

Wie es bei Lesedi weiterging, was ich neben der Arbeit sonst so erlebt habe, welche Behördenprobleme ich erlebt habe und wie es zu dem Blog-Titel kommt, werde ich in meinem nächsten Post verraten. 

Good bye Lesedi La Batho

6 Monate wollte er bleiben, dann sind es 8,5 Monate geworden. Unser Berater auf Zeit Philipp zieht am Ende seines Einsatzes ein Resümee:

 

Good bye Lesedi La Batho – Abschlussbericht

Mein Mandat als ‚Berater auf Zeit‘ bei Lesedi La Batho in Südafrika endet nach total 8.5 Monaten. Ich blicke auf eine sehr aufschlussreiche Zeit.

In meinem Halbzeitbericht vom Juli habe ich berichtet über den Fortschritt bei Lesedi. In den ersten vier Monaten haben wir viel eingeführt, umstrukturiert und optimiert. Es kamen Abhängigkeiten an meine Person auf und daher standen die letzten drei Monate eher im Zeichen der Nachhaltigkeit und Übergabe. Hierfür passten wir das Organigramm an, verstärkten das Team in Mabopane mit einer erfahrenen Managerin, tauschten zwei Mitarbeiter aus und schulten / arbeiteten die optimierten Abläufe sauber ein.

Im Oktober hat dann das neue Team gezeigt was es kann. Erstmals wurden fast alle operativen Ziele und KPIs erreicht und gleichzeitig war das 5 Jahres Jubiläum ein super Erfolg (siehe den Bericht von Joachim). Mittels einer neuen Lesedi Broschüre haben wir die Veränderungen an unsere wichtigsten Geldgeber kommuniziert und Lesedi’s Wirkung mittels Zahlen, Fakten und einem tollen Film von Amai kristallklar darstellen können.

Anfangs November folgten dann die Farewells und ich musste von den vielen mir ans Herz gewachsenen Menschen in Mabopane und Pretoria Abschied nehmen. Einmal ein Lesedi – Immer ein Lesedi!

Etwas mehr möchte ich nun über meine Zeit bei Lesedi bezüglich meiner persönlichen Weiterentwicklung berichten, schliesslich steht ja ausser Frage, dass ein solches Sabbatical alles andere als selbstlos ist.

No shit Sherlock – Ich denke mein Aufenthalt in dieser mir kulturell fremden Region hat mich gelehrt ein besserer Zuhörer zu sein. Oft setzte ich Dinge voraus, welche nach meinen Werten richtig und angebracht waren – hier jedoch keine Gültigkeit hatten. Ich habe gelernt mehr aufzunehmen und viel mehr auf Details und Gemütszustände zu achten.

Screw it lets do it – Grundsätzlich wohl fühlte ich mich, wenn ich die Zukunft planen und strukturieren konnte. Schnell habe ich aber lernen müssen, dass die Planungssicherheit aufgrund mangelnder Infrastruktur und Disziplin in Afrika nicht gegeben ist. Oft macht es daher Sinn, einfach mal etwas zu versuchen und schauen, wie es sich entwickelt. Gleiche Herangehensweise hat durchaus seine Berechtigung in der Schweiz: aus irgendwelchen Gründen verbleibt man im Planen und Zögern statt einfach zu handeln und damit vieles ins Rollen zu bringen.

All or nothing – Hinter allen Aktivitäten von Lesedi steht Herzblut und Leidenschaft. Entweder man geht etwas an oder man lässt etwas komplett bleiben. Gleicher Grundsatz gilt bei der Rekrutierung der Mitarbeiter. Von allen ist verlangt, dass sie sich extrem mit dem NGO identifizieren. Wer (nur) Geld verdienen will, hat keinen Platz.

We rise by lifting others – Ich musste lernen, dass viele Menschen für ihr Unglück nicht verantwortlich gemacht werden dürfen. Zum Beispiel sind die Grund- und Sekundarschulen in Südafrika in den Townships extrem schlecht und viele Menschen absolvieren ihre Jugend damit alles richtig gemacht zu haben. Trotzdem aber bleibt ihre Zukunft komplett aussichtslos. Diese Menschen sind auf unsere Hilfe angewiesen. Diejenigen die das Privileg haben zu wissen, haben die Verantwortung zu handeln.

Who are you to judge – Während meinen Reisen in Süd – und Südostafrika habe ich die verschiedensten Menschen, Kulturen und Völker kennengelernt. Menschen mit den verschiedensten Werten, Bedürfnissen, Freuden und Problemen. Unmöglich lässt sich hierfür ein gemeinsamer Nenner finden, so dass ich glaube, ein etwas offener Mensch geworden zu sein.

Give precious memories – Anfänglich hatte ich den Anspruch das Leben von Armut geplagten Menschen nachhaltig zu verbessern. Aktionen, die in der Ganzheit für die Menschen ‚eh nichts bringen’ fand ich verwerfungswürdig. Nun, mit den vergangenen Monaten, habe ich aber gelernt, dass auch ‚nur’ einzelne Wohltaten extrem mächtig sein können, denn sie geben einzelnen Individuen schöne Erinnerungen, von denen sie lange zehren können.

Get over yourself – Das eigene Hemd ist uns naturgemäss am nächsten, jedoch macht eine egoistische Haltung nicht immer Sinn für das Ganze. Ich denke, ich habe nun etwas mehr Respekt für die Bedürfnisse anderer, auch wenn diese unsichtbar oder anonym sind.  Auch konnte ich etwas an meiner Fähigkeit arbeiten, die eigenen Bedürfnisse zu analysieren und im Zweifelsfall unterzuordnen. Exemplarisch hat man dies jeweils anhand den älteren Leuten sehen können, welche jedes erdenkliche Individuum mit viel Respekt und Wertschätzung behandelten. Wertschätzung die auch mir als Volunteer tagtäglich gezeigt wurde.

Ja, somit schliesse ich also meine Zeit mit vielen neuen Erfahrungen ab. Die nächsten 6 Wochen werde ich noch etwas in Südostafrika reisen und dann nach total knapp einem Jahr wieder in die Schweiz zurückkehren. Vielen herzlichen Dank an alle, welche dieses unvergessliche Jahr ermöglicht haben.

5 Jahre Lesedi la Batho – Der Film

…endlich ist er da!
Der Film über 5 Jahre Lesedi la Batho, den unsere Beraterin auf Zeit Amai während Ihres Social Sabbaticals in Mabopane gemeinsam mit einem weiteren Filmemacher gedreht hat.

Viel Spaß beim Anschauen!

5 Jahre Lesedi la Batho

Am Samstag war es endlich soweit. Mit einer großen Charity-Gala feierte unser langjähriger Partner Lesedi la Batho in Südafrika sein 5-jähriges Bestehen.

Eigens für das Jubiläum waren auch zwei ehemalige Berater auf Zeit angereist: Karin, die in 2015 im Marketing unterstützt hat und Joachim, der 2014 vor Ort war und der seit seinem Einsatz auch im Vorstand des deutschen Partnervereins ist. Amai, die Anfang des Jahres für 3 Monate in Mabopane war, konnte leider nicht persönlich vor Ort sein. Dafür wurde aber der von ihr gedrehte Film gezeigt. Und unser aktueller Berater auf Zeit vor Ort Philipp präsentierte die Organisationsstruktur von Lesedi la Batho.

Hier nun ein Rückblick auf das Event von Joachim:

Dumelang – so grüßen sich die Bewohner von Mabopane untereinander.

Der Regen gestern Abend wurde von den Südafrikanern im Festsaal begrüßt als ein Geschenk Gottes. Es donnerte während der Ansprache von Chrisna, der lokalen Projektleiterin einmal kräftig, der Wind rauschte hörbar durch das Blätterwerk der Palmen, Bananenstauden und Bäume, trieb den Staub der langen Trockenperiode vor sich her, dann platzte der Regen vom Himmel, kurz und bald schon in sanftes Tröpfeln übergehend. 

Angefangen hatte das Fest mit einem Sekt-Empfang im Atrium des Konferenzzentrums auf dem Campus von Pretorias Universität. Schon bei meiner Ankunft auf dem Parkplatz lief ich den festlich bunt gekleideten Lesedi-KollegInnen aus Mabopane in die Arme. Ein riesen Hallo und gegenseitiges Fotografieren. Unfassbar, wie sich die Lesedis teilweise in Tracht herausgeputzt hatten und vor Freude, dabei zu sein, nicht still stehen konnten.

Tatsächlich kamen fast alle der 200 angemeldeten Gäste und füllten das Atrium, das unter dem blau-dunkelnden Himmel der Abenddämmerung vom warmgelben Licht der Gänge ringsum erhellt wurde. 

Später im Verlauf brach der Film von Amai und Alejandro über Lesedi la Bathos Werk das Eis. Mit fast schon beklemmender Stille folgten alle im Saal den Schilderungen der Mitarbeiter Lesedis, den Film-Sequenzen und vor allem den tief berührenden Erzählungen derjenigen, denen Lesedi geholfen hat. Da kamen starke Aussagen herüber wie von einer Teenager-Mutter „Ich habe meiner Mutter gezeigt, dass ich meine Schulausbildung trotz Kind abschließen konnte und jetzt in der Lage bin, meine Familie zu ernähren. Lesedi hat mein Leben verändert“ oder „Ich bin 60 Jahre alt und arbeite für Lesedi. Noch immer stehe ich morgens freudig auf und eile zum Bus, um pünktlich im Zentrum zu sein. Dank Lesedi muss ich nicht zu Hause sitzen wie so viele andere“ oder „Ich träume davon, eines Tages im Fernsehen auftreten zu können und allen Frauen, die zu Hause sitzen, zuzurufen, kommt zu Lesedi, hier gibt es gute und wichtige Arbeit“. 

Meine kurzer Vortrag über das bis nach Deutschland strahlende Licht (=Lesedi) und warum die Freiwilligen von Rays of Hope so gefangen sind und wieder kehren, klappte auch ganz passabel.

Der Bürgermeister von Tshwane/Pretoria hatte leider eine halbe Stunde vorher absagen lassen und entsandte eine führende Mitstreiterin der Stadtverwaltung. Sie machte Werbung für Pretoria, aber schien zuletzt doch sehr beeindruckt von Lesedis Wirkung. Das galt auch für die Botschafter Frankreichs und der Schweiz wie auch dem Afrikamanager von US-Aid, die alle bis zum Schluss blieben und berührt nach Hause fuhren.

Das Fest war nur möglich geworden, weil unzählige Freiwillige bei der Vorbereitung und beim Aufbau geholfen hatten, Teile des Dinners oder des Ablaufs spendeten oder kostenfrei den Abend mitgestalteten.

Die Helden des Abends waren ganz eindeutig Chrisna als der leidenschaftliche Kopf des Ganzen, die Lesedis aus Mabopane, die allen dankten und mit ihrer Sangeskunst Gänsehaut erzeugten, Franziska, die von den Kindergärtnerinnen Lesedis für die Aufbauarbeit und Schulung bedankt wurde, sowie „Philippi“, der von der Damenwelt der Mabopane-Lesedis für seine immer herzliche und unnachgiebige Arbeit umschwärmt wurde.

Erleichtert und voller Zufriedenheit sank ich um Mitternacht dann ins Bett.

Herzliche Grüße aus Südafrika!

Joachim

 

Wir sagen noch einmal Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und noch viele weitere erfolgreiche Jahre! Wir sind stolz, einen Partner wie euch an unserer Seite zu haben!

Die Bescheidenheit südafrikanischer Polizisten / Erste Eindrücke aus Pretoria

Das Abenteuer beginnt gleich nach der Ausfahrt aus dem Flughafen-Parkhaus: Knapp ein paar hundert Meter, schon kommt die erste Polizeikontrolle und ich bin heilfroh, dass ich nicht alleine unterwegs bin sondern mit Chrisna – der Leiterin der Organisation, für die ich die nächsten 3 Monate volunteere – im Auto sitze. Prompt werden wir rausgewunken. Wahrscheinlich wegen des fehlenden Nummernschildes vorne am Wagen, meint Chrisna. Blöd nur, dass auch ihr Führerschein abgelaufen ist… Den der Polizist natürlich prompt sehen möchte. Das Nummernschild interessiert ihn kaum. Schon entbrennt eine heiße Diskussion zwischen den beiden, warum die Papiere nicht da sind und er sie bitte schön doch trotzdem ohne Bußgeld weiterfahren lassen soll.

Nach knapp 10 Minuten kapituliert der Polizist vor Chrisnas Charme und rhetorischer Urgewalt – und ich bin sehr beeindruckt von der Freundlichkeit und Bescheidenheit der südafrikanischen Polizei. Hatte er doch tatsächlich nur um einen kühlen Drink gebeten, als es darum ging, unter welchen Bedingungen er uns weiterfahren lassen könnte. „A cool drink“, so erfahre ich hinterher, ist in Südafrika die übliche Floskel, um nach Schmiergeld zu fragen. Und damit kein falscher Eindruck entsteht: auch hier hat es Chrisna geschafft, ohne einen Cent zu zahlen weiterzufahren.

So macht man das also: Welcome to South-Africa!

Die ersten Tage sind dann trotzdem ein ziemlicher (Kultur) Schock. Obwohl Pretoria mit seinen gepflegten Straßen und Shopping-Malls ein wenig das Lebensgefühl Kaliforniens ausstrahlt, ist doch jedes Haus von hohen Mauern und Stacheldraht umzäunt und nach Einbruch der Dunkelheit (das ist hier in Südafrika schon um 18 Uhr…) soll man am besten nicht mehr zu Fuß unterwegs sein – auch im sicheren und sehr schönen Stadtteil Brooklyn, in dem ich wohne. Ist man abends oder nachts alleine mit dem Auto unterwegs, soll man an roten Ampeln nur wenn unbedingt nötig halten… die Gefahr, überfallen zu werden, ist groß. An jedem Zaun prangt zudem das Schild eines der ortsansässigen Security-Unternehmen ( mit so klangvollen Namen wie „Ubuntu-Security“ oder „Armed Response“), vor einzelnen Häusern sitzen die Wachleute auch 24 Stunden am Tag Wache – auf einfachen Plastikstühlen.

Da zwei südafrikanische Feiertage in meine Ankunftswoche fallen, habe ich Zeit mich in Ruhe zu akklimatisieren – erst nach ein paar Tagen fahre ich zum ersten Mal nach Mabopane, in das Township, in dem ich die nächsten 3 Monate als Volunteer arbeiten werde. Dort ist das Community-Center von Lesedi la Batho, von dem mein Co-Volunteer Philipp schon ausführlicher berichtet hat. Eine Art Gemeindezentrum des Townships, in dem die Mitarbeiter von Lesedi mit Ausbildungsprogrammen versuchen, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.

Philipp nimmt mich die ersten Tage unter seine Fittiche – er ist schon seit Februar hier und gerade mitten dabei, die Organisationsstrukturen von Lesedi umzugestalten.

Mein erster Eindruck vom Center: Wow, was für eine fröhliche und bunte Welt! In jedem Raum befindet sich ein Workshop oder eine Werkstatt, die unter anderem Teddybären, Kleidung, Schmuck oder Taschen herstellen. Daneben gibt es noch die sehr liebevoll eingerichtete Kinderkrippe, die sich um die Kinder von Teenager-Müttern kümmert.

Ria, die Leiterin des Centers vor Ort, beeindruckt mich gleich mit ihrer Herzlichkeit. Sie ist die gute Seele des Townships, auch nach Feierabend noch unterwegs, um beispielsweise den alten und kranken früheren Gärtner des Centers zu besuchen oder eine junge Mutter und ihr Kind. Wer gerade nichts zu essen hat, wird zu ihr nach Hause eingeladen – egal wie wenig sie selbst hat.

Ich stürze mich gleich in die Arbeit, was in meinem Fall heißt, möglichst viele der Menschen kennenzulernen, die vom Center unterstützt werden – denn ich möchte einen Film über die Arbeit von Lesedi la Batho drehen. Deswegen fahre ich in den nächsten Tagen an die verschiedenen Schulen und begleite die ‚Social Auxiliary Workers‘ von Lesedi dort bei ihrer Arbeit. An anderen Tagen bin ich mit Monica unterwegs, die sich um junge Prostituierte und ihre Kinder kümmert und begleite sie bei ihren Hausbesuchen. Prostitution ist, wie ich lerne, in den Townships oft die einzige Einnahmequelle für junge Frauen mit Kind und ohne familiäre Unterstützung.

Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist für mich schwer auszuhalten. Die Frauen und Kinder, die wir in diesen Tagen besuchen, leben teilweise in den notdürftigsten Hütten ohne Wasser, Strom oder Toiletten. Die Fliegen schwirren und andere Insekten krabbeln. Auch zu Essen ist häufig nichts im Haus. Diese Bilder bleiben im Kopf, wenn ich abends in mein schönes Guesthouse in Brooklyn zurückkehre.

Erster Monat in Mabopane, Pretoria, Südafrika als Volunteer

Ich bin jetzt ziemlich genau einen Monat in Pretoria, Südafrika. Mein Alltag ist geprägt von Gegensätzen.

Ich wohne in einem luxuriösen Guesthouse in Brooklyn, eine reiche Wohngegend von Pretoria, mit ca. 15 anderen Gästen, alle so zwischen 20-32, mehrheitlich Europäer und Südafrikaner. Die Atmosphäre im Guesthouse ist extrem familiär. Man kocht zusammen, unternimmt Weekend-Trips, geht aus in die vielen Restaurants, Clubs und Bars oder geniesst die Zeit am Swimmingpool. Die Umgebung lässt sich m. E. mit Kalifornien vergleichen: Es ist herrlich warm, blauer Himmel, die Sonne scheint. In der nahen Umgebung hat es alles, was das Herz begehrt: Ein modernes Einkaufszentrum, viele Restaurants und Bars, ein Sportplatz mit Bootcamp (4 mal die Woche), ein Autoverleih, Jogging Gelegenheiten und dergleichen mehr. Es ist sicher und für Schweizer / Deutschland Verhältnisse günstig (Ich habe 1250 Euro pro Monat inkl. Miete gebraucht).

Arbeiten tue ich bei einem NGO mit Namen Lesedi La Batho. Wir verfügen über zwei Lokalitäten: Das Büro befindet sich in günstigen Räumlichkeiten eines Rugbystadions ca. 30 min zu Fuss vom Guesthouse oder 5 min mit dem Auto in einer sehr sicheren Gegend. Dort verfüge ich über einen Labtop und teile das Büro mit Chrisna, unserer Chefin, Ronel, unserer Buchhalterin, Loren, unserer Administratorin und ca. 4 weiteren Personen von einem anderen NGO. Unsere Infrastruktur ist top und der Büroalltag gestaltet sich ähnlich wie in der Schweiz oder Deutschland. Die zweite Lokalität befindet sich in Mabopane ca. 45 min mit dem Auto im Nordwesten von Pretoria. Dort verfügt Lesedi La Batho über ein Community Center inmitten eines „Townships“. Die Gegend dort ist signifikant ärmer als diejenige in Brooklyn. Die Aktivitäten unseres NGOs und damit diejenigen unseres Community Centers, zielen auf die Verbesserung der Lebensumstände der in dieser Gegend wohnenden Bevölkerung ab. Leider ist diese Gegend zurzeit geprägt von Armut, HIV, Arbeitslosigkeit und schlechten Schulen, was die Bevölkerung leider zu Kinderschwangerschaften, Drogenkonsum, Kriminalität und dergleichen Schrecklichem mehr verleitet.

Meine Aufgabe bei Lesedi ist die Strukturierung und Optimierung aller operativen Aktivitäten im Community Center. Diese lassen sich in drei Bereiche gliedern:

Im Center werden lokale Personen während eines drei monatigen Ausbildungsprogamms in den Bereichen Kindererziehung, Nähen, Computeranwendung, Schmuckherstellung, Backen und „Life Skills“ ausgebildet und erhalten danach ein Zertifikat, welches es ihnen erleichtern sollte einen Job zu finden. Unser internes Jobberatungsbüro unterstützt sie dabei.

Der zweite Bereich besteht aus 14 sogenannten Social Auxillary Workers. Diese schwärmen tagtäglich zu 9 High- und 4 Primary- Schools aus und schulen / beraten Schüler in den Bereichen HIV, Gewalt, Menschenrechte, Drogenkonsum, Life skills und dergleichen mehr. Diese vollziehen auch sogennante „Home visits“ wobei es sich dabei um Hausbesuche handelt um sozial benachteiligte Individuen zu identifizieren und zu unterstützen: entweder mit den Leistungen des Community Centers oder mittels Empfehlungen zu Kliniken, Schulen, Polizei oder schlichtweg mit dem Vorbeibringen von Food Parcels.

Beim dritten Bereich handelt es isch um „Social Enterprises“. Diese sind eine Art Kleinunternehmungen, welche von Absolventen des Ausbildungsprogramms gegründet wurden und nun geführt werden. Zurzeit produzieren diese Kleinunternehmen eine Vielzahl von Produkten: Teddybären für eine Firma aus Cape Town, Schuluniformen für lokalen Schulen, Tragtaschen und ab und zu Schmuckstücke. Auch hat es ein „Child Care Center“ für zurzeit 60 Kinder von „Teenage Mothers“ welches sich über Tag um Kleinkinder kümmert, damit die Mütter in die Schule gehen können.

Meines Erachtens funktionieren viele Aktivitäten gut. Es gibt aber einige Bereiche, welche noch verbessert werden können. Unser Fokus für die nächsten Monate liegt im Ausbau der „Reporting“ Aktivitäten, im weiteren Empowern des 5 köpfigen Management-Teams vor Ort im Center, in der Erweiterung der Infrastrktur und in der stärkeren Abkoppelung der „Social Enterprises“  damit diese unabhängig von Spenden werden. Auch scheint das Potential der Social Auxillary Workers noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft. Vergangene Woche haben wir erste Akzente setzen können. Meine Ideen werden von den total 42 Mitarbeiter kritisch aber sehr wohlwollend angenommen und dann weiterentwickelt.

Es herrscht ein sehr offenes und angehenmes Betriebsklima. Viele der Mitarbeiter sind sehr interessiert und auch dankbar, dass man versucht ihnen und damit indirekt den vielen Hilfsbedürftigen zu helfen. Die Motivation ist also hoch und ich hoffe, dass ich beim nächsten Update bereits erste Erfolgsstories berichten kann…

 

Neuer Berater auf Zeit auf dem Weg!

Gestern Treffen und letzte Absprachen mit dem deutschen Vorstand, heute Koffer packen und morgen geht es für unseren Berater auf Zeit Philipp für 6 Monate nach Südafrika. Er wird dort unseren Projektpartner Lesedi la Batho im Bereich Prozessoptimierung beraten, sowie das Management-Team in der Administration und Organisation unterstützen.

Eine gute Reise, viel Spaß und viele wunderbare Erfahrungen!

Wir freuen uns auf deinen ersten Blog-Beitrag!

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann ?

…wie bitte? 10 Tage bin ich nun schon in Pretoria, meinem Lebensmittelpunkt für die kommenden 3 Monate im Rahmen meines Social Sabbaticals. Es wär übertrieben, zu sagen, dass Pretoria mir schon ans Herz gewachsen,  gar zum „home away from home“ geworden ist, aber spannend ist es allemal und ich kann mein anderes Leben hier durchaus genießen.

Da ist zum einen das sehr herzliche und nette Kollegenteam: Chrisna, Managing Director des Gemeindezentrums Lesedi la Batho, um das es hier geht. Loren, die Sozialarbeiterin und Chrisnas recht Hand in allen Belangen, Renel, die sich um die Finanzen kümmert, und für kurze Zeit auch noch Joachim, der Volunteer Consultant von 2014, der für weitere 2 Wochen beratend vor Ort zur Seite steht.

Lesedi La Batho: das ist kurz  gesagt, ein Gemeindezentrum des Townships Mabopane (Pretoria). Vor gut 10 Jahren als Sport-Kooperation ins Leben gerufen, gibt es hier heute überwiegend Angebote im Bildungsbereich. Der Fokus liegt auf Jugendlichen und jungen Müttern. Ihnen werden hier praktische Fertigkeiten und Lebenshilfe vermittelt. Das Ziel: sie zu starken und zu selbstbewußten Persönlichkeiten zu machen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Schaut man sich die sozialen Strukturen und die prekären Verhältnisse im Township an, so sind diese Hilfsangebote ein Weg aus Armut, Krankheit und Resignation. Mittlerweile arbeiten für Lesedi la Batho mehr als 70 Trainer in einer großen Bandbreite von Workshops.

Zum zweiten hab ich Glück mit meiner Unterkunft: Ein bescheidenes Zimmer in einem gechillten Guesthouse in einem der besseren Wohnviertel Pretorias. Die meisten Mieter sind wie ich mehrere Monate hier, jedoch bedeutend jünger. So wohne ich jetzt mit vielen lustigen Studenten, Botschaftspraktikanten oder Doktoranden aus aller Herren Länder unter einem Dach.  Gemeinsame Aktivitäten wie Braai (die südafrikanische Variante des Barbecues), Ausflüge in die Stadt oder ein Bierchen am Küchentisch machen mir die Eingewöhnung leicht. Ausserdem erfahre ich so viel über das heutige Südafrika, den langen Arm der Apartheid und die aktuell wieder aufflammende Gewalt, die sich gegen afrikanische Immigranten richtet. Xenophobie, das ist auch hier ein großes Thema.

Ich tue mich in den ersten Tagen schwer, mich an die allgegenwärtigen hohen Mauern mit obligatorischem Elektrodraht und spitzen Metallzacken zu gewöhnen. Denn das Afrikaaner Viertel Brooklyn ist sehr hübsch – Jacarandabaumalleen im spätwinterlichen Sonnenlicht – aber fast keine Menschenseele läuft hier einfach so spazieren, obwohl das Wetter prefekt ist. Wie ausgestorben. Die Afrikaaner fahren überall mit dem Auto vor. So sind die Hauptstraßen und das Stadtzentrum Pretorias nahezu ausschließlich von Schwarzafrikanern belebt. Und das ist für mich zumindest am ersten Wochenende mehr als befremdlich. Meine kurzen Ausflüge allein zu Fuß in ein anderes Viertel geraten zum Spießrutenlaufen, ich fühle mich sehr unwohl in meiner weißen Haut. Und um 18.00h geht die Sonne unter und dann läuft aber auch wirklich niemand mehr irgendwo hin. Puh, that´s a challenge! Für mich, als passionierten Läufer und Spaziergänger…

Die erste Arbeitswoche beginnt sehr entspannt: In unserem winzigen und sehr, sehr kalten Büro nehme ich mein erstes „Projekt“ in Angriff. Da mein Arbeitsauftrag als Volunteer Consultant ohnehin sehr offen formuliert ist, fange ich pragmatisch an: Um die chronisch knappen Ressourcen zu erweitern lege ich für Lesedi la Batho ein NGO Profil auf einer virtuellen Spendenplattform an. Ich hatte diese südafrikanische Website schon in Deutschland entdeckt und auch Chrisna ist angetan von den Möglichkeiten, darüber kostenlos Arbeitskräfte und Hilfsgüter zu bekommen. Nun denn, nach einem Tag gibt´s schon die erste Resonanz. Da werden wir dann wohl dranbleiben.

Am zweiten Tag wird´s dann prickelnder: Chrisna, Loren, Joachim und ich fahren raus nach Mabopane, das eine knappe Stunde nördlich von Pretoria liegt. Läßt man Pretoria hinter sich, erstreckt sich die braun-rote Landschaft des Highvelds. Die Strassen sind gut ausgebaut, wir passieren die ersten Townships.  Und zum ersten Mal sehe ich jetzt auch „Informal Settlements“: Siedlungen aus Blechhütten ohne jede Infrastruktur. Das ist wirklich sehr bitter. Da bin ich fast erleichert, das Mabopane richtige Häuser, Straßen und kleine Eckläden hat. Das Gemeindezentrum ist in einer ausgedienten Schule untergebracht. Gleichwohl schlicht, wirkt alles sehr organisiert und ordentlich: die Höfe und Wege sind gehakt, es liegt kein Müll herum, die Räume sind zweckmäßig eingerichtet und aus der Bäckerei duftet es verführerisch nach Franzbrötchen.  Loren stellt mich vor. Wir gehen von Raum zu Raum und ich schüttele unzählige Hände, werde mit strahlendem Lachen begrüßt, umarmt, von den Kindern in den Tagesgruppen besungen und kann mir so viele neue Namen und Gesichter gar nicht merken. Herrlich! Was für ein netter Empfang! Schon jetzt habe ich die Gelegenheit, mir einige Workshops anzuschauen und mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Eins ist klar: es wird viel Unterstützung erwartet und die ist auch nötig. Die Frauen stellen handwerklich gute Sachen her, aber Vertrieb und Marketing, damit sind sie überfordert. Umso mehr freue ich mich über die mit viel Sorgfalt hübsch zusammengesteckten Blumen, die mir überreicht werden. So viel Herzlichkeit, aber auch Vertrauen auf fremde Hilfe!

Mit großem Interesse verfolge ich Joachims Team-Building-Workshop für die Trainer. So kann ich mir ein erstes Bild von den Menschen und Aufgaben hier vor Ort machen. Ob und wie ich mein eigenes, selbstgewähltes Projekt –den Aufbau eines Nachbarschaftstauschrings auf der Basis von Zeiteinheiten – hier einbringen kann, das wird sich zeigen. Für heute jedenfalls bin ich voller neuer Eindrücke.

Und meine Angst vorm schwarzen Mann? Die ist gebannt. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich“. So werde ich es halten!

Goeie more Karin

…das ist Afrikaans und seit Montag lautet so die Begrüßung am Arbeitsplatz für Karin, unserer neuen Beraterin auf Zeit bei Lesedi la Batho in Pretoria.

Karin wird die nächsten 3 Monate das dortige Projektteam im Bereich Marketing und in der Konzepterstellung für Nachbarschaftshilfe im Township unterstützen.

Wir wünschen dir viel Spaß und einen wunderbaren Einsatz!
Natürlich freuen wir uns schon jetzt auf viele Bilder und Blog-Einträge von dir!