Let´s work

Gestern fand der alljährliche Kindertag des Waisenkinderprogramms OVC (Orphans and Vulnerable Children) statt. Die Kinder des Förderprogrammes kamen gemeinsam mit ihren Vormündern in die Moravian Church in Mabibo. Die Idee des Kindertages beruht im Wesentlichen auf zwei Bestandteilen: Zum einen werden die Kinder mit Materialien versorgt, wie zum Beispiel Moskitonetzen, Bettwäsche und Hygieneartikeln. Zum anderen soll es ihnen und ihren Vormündern an diesem Tag so richtig gut gehen: Es gab warmes Essen und eine Torte; außerdem gab es eine akrobatische Aufführung des Kigamboni Community Center. Gleichzeitig wird die Gelegenheit genutzt die Daten der Kinder zu aktualisieren.

Einen Tag später nun ein erstes Résumé: Was ist gut gelaufen, was ist nicht gut gelaufen? Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden mit dem Tag. Ich hatte den Eindruck, dass die meisten Kinder den Tag genießen konnten und zumindest ein wenig Spaß und einen vollen Magen hatten. Aus organisatorischer Sicht ist einiges nicht so gelaufen, wie wir es geplant hatten. Die tansanischen Verantwortlichen für das Projekt kamen zu spät zur Eröffnungsrede, das Aktualisieren der Listen hat sehr lange gedauert, eine Kollegin kam viel zu spät, der Caterer kam zu spät, das Kinderschminken wurde regelrecht boykottiert…. Diese Auflistung könnte ich noch eine Weile fortsetzen. Ich habe mich im Verlauf des Tages über die eine oder andere Sache ziemlich aufgeregt. Auf dem Weg nach Hause war ich in Gedanken versunken. Was war passiert? Eigentlich fand ich den Kindertag doch wirklich schön. Oder nicht? Gestern Abend ist mir bewusst geworden, dass mir meine eigenen Gedanken im Verlauf der letzten Wochen entglitten sind.

Warum bin ich nach Tansania gekommen? Ich bin hier, weil ich mich einbringen wollte. Ich wollte in dieses Land kommen, in diesem Projekt arbeiten, um zu sehen, wo ich gebraucht werde. Ich wollte die Aufgaben, die mir zugewiesen werden, so gut wie möglich meistern.

Was habe ich mir vorgenommen? Ich habe mir fest vorgenommen, es nicht besser zu wissen. Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich versuche zu helfen, wo ich gebraucht werde, und nicht selber definiere, wo ich gebraucht werden sollte. Ich habe mir fest vorgenommen, nicht arrogant und herablassend zu sein, sondern meine tansanischen Arbeitskolleginnen mit Respekt und Achtung zu behandeln. Ich wollte sie  nicht bevormunden. Ich habe mir vorgenommen, nicht zu sagen: Ich weiß genau was ihr braucht und wie wir das am besten umsetzen. Ich habe mir fest vorgenommen, im Rahmen meiner Berichterstattung gegenüber Freunden und Familie keine Stereotypen aufzubauen und zu unterstützen. Ich habe mir fest vorgenommen, kein einseitiges Bild von diesem Land und meiner Arbeit zu zeichnen. Ich wollte alles in seiner bunten Vielfalt, in Grautönen und nicht in schwarz-weiß darstellen. Ich habe mir vorgenommen diejenige zu sein, die von den Menschen hier lernt, und nicht diejenige, die ihnen etwas beibringt. Zumindest habe ich mir vorgenommen, dass dieses Lehren und Lernen auf Gegenseitigkeit und Wertschätzung beruht. Ich habe mir fest vorgenommen, nicht darüber zu urteilen, dass viele Menschen hier kein Englisch können, weil ich diejenige bin, die sich dafür schämen sollte, die Landessprache nicht zu beherrschen.

 

Ich habe mir das alles vorgenommen. Und jetzt bin ich hier und stelle plötzlich fest, dass ich diesen Vorsätzen in den letzten Wochen nicht gerecht geworden bin. Ich habe versucht meine persönlichen Vorstellungen von organisierter und effizienter Arbeitsweise durchzusetzen. Ich habe mich über meine tansanischen Kolleginnen lustig gemacht. Ich habe sie nicht ernst genommen. Das ist mir vor zwei Tagen bewusst geworden. Gestern ist mir dann bewusst geworden, dass das nicht schlimm ist. Schlimm wäre, es gar nicht zu bemerken, oder aber es zu bemerken und nicht zu versuchen, es zu ändern. Ich werde mir wieder fest vornehmen, ein Gast zu sein. Solange, bis ich wieder merke, dass es mir mehr und mehr entgleitet. Und dann hoffe ich darauf, dass ich mich selbst oder jemand anderes mich wieder daran erinnert, was ich mir alles vorgenommen habe.

Die Arbeit als Beraterin auf Zeit ermöglicht wertvolle Erfahrungen. Erfahrungen, die man in einem anderen Umfeld nicht sammeln kann. Sie bietet die Möglichkeit eines Austausches von verschiedenen Kulturen, Mentalitäten und auch Arbeitsweisen. Dieser Austausch und diese Erfahrungen sind ein Gewinn für beide Seiten. Wir sollten uns alle immer wieder daran erinnern, warum wir hier sind, was wir uns davon erhoffen und auf welche Weise wir uns einbringen möchten.

 

 

 

20161106_12463720161112_143646